Das „Ostermärlein“ – oder Christen lachen eben anders
Der Prediger lief zu seiner Hochform auf. Verschmitzt und sicher auch ein wenig pfiffig-hintertrieben rief er am Höhepunkt seiner Osterpredigt die in der Kirche seiner Predigt lauschenden Männer, die zu Hause das Regiment führten, auf, sie sollten den triumphalen Ostergesang „Christ ist erstanden“ anstimmen. Nun mag es sein, dass die Männer zu sehr den verstrickten theologischen Gedankenführungen des Predigers nachhingen oder auch völlig überrascht, betroffen und überrumpelt waren. Ihre schnelle Reaktion jedenfalls blieb – vom Prediger genau so erwartet – aus. Flink und behände richtete der Prediger die gleiche Aufforderung an die Frauen, die – weil vorher abgesprochen – alle zugleich und wie auf Kommando das bekannte Osterlied anstimmten. Bei dem nachfolgenden „Ostergelächter“ hatten die Frauen sicher etwas mehr zu lachen als ihre Männer. Überliefert ist dieser Vorgang aus dem Jahr 1506 aus der Klosterkirche zu Marchtal an der Donau.
Dieses „Osterlachen“ oder „Ostergelächter“, das auf ein „Ostermärlein“ in der Osterpredigt folgte, war allerdings kein Einzelfall. Scherze und überraschender Witz in der Osterpredigt waren bis in das 17. Jahrhundert eher der Normalfall beim (lat.) „risus paschalis“, der fester Bestandteil des Volksostern war und die Osterfreude ausdrückte.
Lachen in der Kirche? Lachen am höchsten christlichen Feiertag? Humor bei einer derart ernsten Angelegenheit, die den Tod thematisiert? „Tod, wo ist dein Sieg?“ „Tod, wo ist dein Stachel?“ fragt Paulus (1 Kor 15,55 nach Hos 13,14). Und Ostern feiert den Sieg des (ewigen) Lebens über den Tod. Das Osterlachen bleibt natürlich ein „Trotzdem-Lachen“, ein Lachen im Angesicht des absehbaren eigenen Todes. Aber: Dieser Tod ist nicht das Ende, sondern der Beginn eines neuen Lebens. Und deshalb hatten und haben die Christen zu Ostern allen Grund zum Lachen.
Nicht nur die Reformatoren, sondern auch die innerkirchlichen Kritiker hatten an den „liturgischen Einlagen“ dieser volkhaften Art und den dann damit verbundenen klamaukhaften Auswüchsen wenig Freude. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde das Ostermärlein verboten. Das Ostergelächter wurde immer seltener. Spätestens im 18. Jahrhundert war es untergegangen.
Nicht aber überall und für immer. Das Foto zeigt Josef Hamberger ehemals Pfarrer in Kraiburg, Landkreis Mühldorf. Ostermontags hielt er unter großem Zulauf der Bevölkerung in der barocken Filial- und Wallfahrtskirche Fisslkling bei Ensdorf (Landkreis Mühldorf am Inn) in barockem Ornat und mit Perücke sein „Osterg’lachter“. Der risus paschalis war auch bis 1906 in Reischach, Landkreis Altötting, üblich, bis ein nachfolgender Pfarrer ihn als „abusus“ abschaffte.