Vom wahren Jakob und dem weiten Weg zu ihm

Ob Köbes oder Jakobiner – der „Maurentöter“ war ihr Namensgeber

Die Legende erzählt: Nach seinem Märtyrertod in Jerusalem kamen im Frühmittelalter die Gebeine des heiligen Jakobus (der Ältere), der mit seinem Bruder, dem Evangelisten Johannes, und mit Petrus zu den erstberufenen Aposteln gehörte, nach Spanien. Sein Grab in Santiago de Compostela wurde seit dem 10. Jahrhundert zu einer Wallfahrtsstätte, zu der aus allen Teilen Europas Wallfahrtsstraßen führten, die zum Teil heute noch daran zu erkennen sind, dass die Kirchen am Weg das Jakobspatrozinium führen.
 
***BILD***jakobus_nazarenerstich.jpg – So stellten sich die Düsseldorfer Nazarener den großen Jakob im Jahr 1851 auf einem Stahlstich vor. © Archiv Manfred Becker-Huberti

Die Menschen, die aus Frömmigkeit, Abenteuerlust oder als Strafe für ein Vergehen diese Wallfahrt auf sich nahmen, begaben sich auf einen mühsamen, gefährlichen und monate- oder sogar jahrelangen Weg, den Jakobsweg. Das Erkennungszeichen der erfolgreichen Jakobspilger, also derer, die nach allen geltenden Regeln ihre Wallfahrt in Santiago de Compostela (Sanct Jacobus in campo stellae = Heiliger Jakob im Sternenfeld, d. i. die Flurbezeichnung, wo die Reliquien aufgefunden wurden) war die Jakobsmuschel (Pecten maximus L.) oder Pilgermuschel. Die nur bei Santiago zu findende Muschel wurde an den Pilgerhut oder - mantel geheftet und als Trinkgeschirr benutzt. Die Wallfahrt ging in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück, erlebt aber seit einigen Jahren eine mächtige Wiederbelebung. Wenn ein Jakobstag auf einen Sonntag fällt, wird in Santiago ein Heiliges Jahr gefeiert.

Der Kult des Apostel Jakobus der Ältere, des „großen Jakob“ oder Jacobus major, der seinen Gedenktag am 25. Juli begeht, verbreitete sich durch sein Patronat über Kirchen, Klöster - die Jakobiner der Französischen Revolution haben ihren Namen durch ihren Tagungsort, das aufgelöste Jakobskloster der Dominikaner in Paris - und Kapellen. Als Fürbitter der christlichen Spanier, die die „Mauren“ (so nannten die Spanier die Muslime in ihrem Land) in ihrem Land erfolgreich bekämpften, erhielt Jakobus den Ehrentitel „Matamoros“ (Maurentöter). Orden nahmen den Namen an. Jakobsbruderschaften bildeten sich, und nach ihrem Untergang gibt es wieder neu begründete. Das vergleichsweise häufige Vorkommen von Jakobskirchen brachte auch die entsprechende Zahl von Kirchweihfesten mit sich, so dass die Jakobikirmes zum bekannten Termin im Jahresablauf wurde.

Der Gedenktag des hl. Jakob war Erntebeginn. Die ersten Kartoffeln hießen darum „Jakobskartoffeln“ oder Jakobskrumbiere (von Erdkrume, also „Jakobserdäpfel“; „Ädäppel“ heißen die Kartoffeln auch im Niederdeutschen). In der Schweiz begann die Ernte mit der Jakobsfeier, bei der sich die Mägde und Knechte erst einmal die Jakobsstärke antranken, damit sie beim Mähen nicht „in den Halmen stecken blieben“. Im Rheinland, besonders in Düsseldorf, wird der Kellner in den Bierschwemmen nach wie vor „Köbes“ gerufen. So wie die Wirte der Hospitäler am Pilgerweg nach Santiago Jakobswirte waren, hat sich wahrscheinlich der Name Jakob als Bezeichnung für Bedienstete gebildet wie im Englischen der Einheitsname „James“ für einen Butler.

Mit großer Wahrscheinlichkeit hat auch die Redewendung „Das ist der wahre Jakob“ im Sinne von: Das ist der richtige Mann, das einzig Richtige, Gesuchte, das rechte Mittel, einen Bezug zum Apostel Jakobus. Diese Aussage verwies auf das Grab des heiligen Jakob in Santiago de Compostela, das gegen andere Grabstätten gleichnamiger Heiliger verteidigt wurde, zu denen „Jakobs-“pilger zogen, denen der Weg nach Spanien zu beschwerlich war. So behauptete 1395 die Kirche in Monte Grigiano in Italien im Besitz der Jakobs-Reliquien zu sein. Eher unwahrscheinlich ist der Bezug zu jenem Jakob, der sich von seinem Bruder Esau für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht (Gen 25,27–34) und von seinem blinden Vater Isaak den Segen erschlichen hat (Gen 27,1–40). Die ironische Umkehrung: „Du bist mir der wahre Jakob!“ ist erst seit dem 18. Jahrhundert belegt. Die ironische Bezeichnung eines Jahrmarktschreiers als „wahrer (oder billiger) Jakob“ hat damit zu tun, dass Jahrmarktverkäufer ihre Ware als einzig und unvergleichlich in Qualität und Preis darzustellen wissen. Somit meint auch die Redewendung, „den billigen Jakob abgeben“, etwas nach den Methoden des Jahrmarktschreiers anbieten. Ironisch-satirisch waren Titelwahl und Inhalt des „wahren Jakob“, eines der wenigen systemkritischen Satire-Blätter des 19. Jahrhunderts zu verstehen. Das Heft erschien - oft polizeilich beschlagnahmt – von 1879 bis 1933 in Stuttgart und wurde 1933 verboten.

Der lange Weg nach Santiago de Compostela, den in diesem Jahr wieder mehrere hunderttausend Menschen zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad oder zu Pferde bewältigen, ist auch der Weg zu sich selbst und Gott als der eigenen Personenmitte. Deshalb führt der Weg zum wahren Jakob nicht nur nach Santiago.