In Sack und Asche

Aschermittwoch, der Tag, an dem angeblich „alles vorbei“ ist

Seit dem 6. Jahrhundert bildet der Mittwoch vor dem 6. Sonntag vor Ostern („Invocabit“) den Auftakt zur österlichen Fastenzeit. Unter Einbeziehung von Karfreitag und Karsamstag und unter Ausschluß der Sonntage ergeben sich 40 Fastentage vor dem höchsten christlichen Feiertag, dem Gedächtnis an die Auferstehung Christi. Weil die Büßer in der Kirche an diesem Tag nach alter Tradition mit Asche bestreut wurden, erhielt dieser Tag den Namen Aschermittwoch. Seit dem 10. Jahrhundert läßt sich die Austeilung des Aschenkreuzes an diesem Tag nachweisen. Mancherorts hieß der Aschermittwoch auch Pfeffertag, weil Langschläfer mit grünen Ruten aus den Federn „gepfeffert“ wurden. Andernorts gab es den Aschermittwochstreich: Kinder besuchten ihre Paten, gaben ihnen ein paar Streiche mit einer grünen Rute und erhielen dafür Brezeln. Statt eines grünen Reis konnten auch bändergeschmückte Tannenzweige (Sachsen), Birkenreise (Harz, Mecklenburg) benutzt werden. Im Raum von Hannover pfefferten die jungen Burschen und warfen Asche. Wacholder- und Fichtenzweige wurden in Norddeutschland benutzt, wo dieser Brauch Fuen hieß. Hier wurden die Langschläfer gepfeffert, bis sie sich mit Lebensmittelspenden freikauften. In Halberstadt wurde am Aschermittwoch die Gegensätzlichkeit vom „alten Adam“ und „neuem Adam“ augenfällig thematisiert: Ein armer Missetäter wurde als „Adam“ aus der Kirche gejagt, mußte während der Fastenzeit barfuß betteln und erhielt an den Kirchentüren Speise, bis er am Gründonnerstag beim Abendmahlsgottesdienst friedlich wieder aufgenommen und dann als gereinigt entlassen wurde: ein Reinigungssinnbild für die ganze Stadt. Der Fastenauftakt hat viele Namen: Erster Tag (Mittwoch) in der Fasten oder Macherdag (in der Vasten) (Rheinland), dies quadragesimale oder nach der Aschenweihe: Exaudi nos domine. Nach der klassischen Fastenspeise heißt der Tag auch Heringstag. Die meisten Namen nehmen Bezug auf die tagesspezifische Asche: Aschetag, als man aschen aufs haupt nimmt, cendres (Frkr.), cineres, dies cinerum, Eschtag, Öschriger Mittwoch. Aschermittwoch als Schwellenfest zwischen Fastnacht und Fastenzeit wird nicht erst in unseren Tagen durch – vermeintlich oder tatsächlich – „nachgeholte“ Fastnachtsveranstaltungen (Ball der Köche, Taxifahrer …) pervertiert. Das symbolische Fischessen am Aschermittwoch zelebrieren einige als lukullisches Ereignis. Im Faust I lesen wir bereits: „So sei die Zeit mit Fröhlichkeit vertan! / Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an. / Indessen feiern wir, auf jeden Fall, / Nur lustiger das (sic) wilde Karneval.“

Asche als reales Symbol für die Vergänglichkeit und Bußgesinnung war im gesamten Orient zu Hause, natürlich auch in Israel. Ein „Reinigungswasser“ wurde z.B. aus der Asche einer verbrannten, fehlerlosen roten Kuh, vermischt mit verbranntem Zedernholz, Ysop und Karmesin, gesammelt von einem kultisch reinen Mann, hergestellt (Num 19,9f.). Als „Asche-Sprüche“ wurden wertlose Reden bezeichnet (Gen 18,27; Hiob 13,12), als „Aschehüten“ die Götzenverehrung (Jes 44,20). Der Büßer sitzt „in Staub und Asche“ (Hiob 30,19), streut sich „Asche auf sein Haupt“ (2 Sam 13,19, 1 Makk 3,47) und kleidet sich in „Sack und Asche“ (Est 4,1, Jes 58,5, Mt 11,21, Lk 10,13). Die neutestamentliche Formulierung, nach der in Sack und Asche Buße getan wird, fand Eingang nicht nur in deutsche Redensarten. Im Frz. heißt es: „Faire pénitence dans la sac et dans la cendre“ (veraltet); im Englischen: „To repent in sackcloth and ashes“; im Niederländischen: „In zaken en as zitten“. Im Christentum fand die Asche in Bußgottesdiensten und – seit dem 10. Jahrhundet – beim Aschenkreuz am Aschermittwoch Verwendung. Die Symbolik der Asche wird heute noch in einem anderen Gottesdienst als zu Aschermittwoch verwendet, nämlich in der Messe zur Amtseinführung eines neuen Papstes. Vor den Augen des neugewählten Papstes verbrennt einer der ranghöchsten Kardinäle einen Wollfaden, um den Neugewählten auf die Vergänglichkeit und Nichtigkeit allen Scheins aufmerksam zu machen. Als Mahnung und Erinnerung an die eigene Relativität, als Hinweis auf die Notwendigkeit zu Buße und Umkehr angesichts des unausweichlichen Todes, den der im vermeintlich immerwährenden Jetzt lebende Mensch nur zu gerne verdrängt, ist die Symbolik der Asche ein nach wie vor lebendiges Symbol.

Am Aschermittwoch begann in der frühen Kirche die öffentliche (Kirchen-) Buße, an dem die Büßer ein Bußgewand anlegten und mit Asche bestreut wurden. Als die öffentliche Buße außer Gebrauch kam (10. Jh.), übertrug sich die Asche-Symbolik auf alle Gläubigen (Synode von Benevent 1091). Aschesegnungen im Christentum lassen sich deshalb bis mindestens zum 10. Jahrhundert zurückverfolgen. Das Aschenkreuz auf der Stirn der Gläubigen versinnbildlicht den Anbruch der Bußzeit und des Fastens. Bei der Austeilung spricht der Priester traditionell die Worte: „Bedenke, Mensch, dass Du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ (vgl. Gen 3,19) und erinnert damit an Jesus Sirach 17,32, wo die Menschen als „nur Staub und Asche“ definiert werden. Die Asche des Aschermittwochs wird seit dem 12. Jahrhundert aus den am Palmsonntag übriggebliebenen Palmzweigen des Vorjahres gewonnen.

Auf Vorschlag von Paul Claudel fand nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris erstmals ein „Aschermittwoch der Künstler“ statt, eine Idee, die Josef Kardinal Frings in Köln 1950 aufgriff. Seitdem treffen in Köln alljährlich Bischof und Künstler zu einer religiösen Standortbestimmung zusammen. Weltweit findet der Aschermittwoch der Künstler in über 100 Städten statt.