Allerheiligen – und Heilige in Gruppen

Sammelfeste für alle heiligen Martyrer und alle Bekenner begegnen im christlichen Altertum innerhalb des österlichen Umfeldes. Ihr Sinn ist das Gedächtnis aller Heiligen, also besonders auch derer, an die man sich namentlich nicht mehr erinnern kann. Der älteste Beleg findet sich bei Johannes Chrysostomos für Antiochien im 4. Jahrhundert am Oktavtag von Pfingsten mit der Bezeichnung „Herrentag aller Heiligen“. Nach der Pascha Domini (Ostern) feierte man den Nachvollzug dieser Pascha durch die Heiligen. In der Ostkirche haben sich dieses Fest und dieser Termin bis heute erhalten. In der Westkirche wurde der Termin ursprünglich übernommen. Im 8. Jahrhundert heißt dieser Sonntag in Würzburg Dominica in Natali Sanctorum (Sonntag der Geburt der Heiligen, d.h. der Todestag der Martyrer wurde als Geburtstag der Heiligen gefeiert). In Irland entstand im 8./9. Jahrhundert – als der Zusammenhang zwischen diesem Fest und Ostern verblasste – ein neuer Festtermin: Der 1. November markiert hier den Winterbeginn und ist zugleich Jahresanfang. Hintergrundfolie ist nun nicht mehr Ostern, sondern die sterbende Natur, durch die die ewige Welt der Heiligen sichtbar wird. Durch die irisch-schottischen Missionare gelangte das Allerheiligenfest am 1. November im 9. Jahrhundert auf den Kontinent. Andere Bezeichnungen für Allerheiligen: Godeshilligendach, Aller sintentag (Rheinland), Helgona messa, helmisse (Skand.).

Heilige sind zunächst alle verstorbenen Christen, die um ihres Glaubens willen hingerichtet wurden, später auch die Bekenner, die ihr Leben lang als Christen überzeugt haben. Heilig wurden sie im ersten Jahrtausend dadurch, dass ihre toten Leiber „zur Ehre der Altäre erhoben“ wurden, d.h. unter oder auf dem Altar aufbewahrt und verehrt wurden. Die erste förmliche Heiligsprechung (Kanonisation) erfolgte für den hl. Ulrich von Augsburg (923–973), der 993 heilig gesprochen wurde.

„Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr“ heißt es 1. Brief an die Korinther 3,17. Aus der alttestamentlichen Vorgabe (Lev 19,2) schlussfolgert der 1. Petrusbrief 1,15f.: „Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden. Denn es heißt in der Schrift: Seid heilig, denn ich bin heilig.“ Zur Heiligkeit berufen ist jeder Christ und in eben diesem Sinne trägt der Bischof von Rom, der Nachfolger des hl. Petrus den Titel „Heiliger Vater“.

Weil aber nach jüdischem und christlichem Verständnis Gott „alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet hat“ (Buch der Weisheit 11,20) wurde diese Vorstellung als Propädeutik übernommen – auch wenn Symbolik und Realität nicht immer harmonierten. Bekanntlich ist es ein menschliches Urerlebnis, dass sich die sinnlich wahrnehmbare Welt und Zeit durch Zahlen erschließen lässt – Träume, Mythen, Märchen, Magie und Riten aller Kulturen und Religionen ordnen deshalb bestimmte Zahlen vergleichbaren Symbolgehalten zu.

Da ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Heiligen in Gruppen auftreten, mit Sym-bolzahlen verknüpft werden. Wenn ein Heiliger Wirkung versprach, so dachten unsere Ahnen, so müssen mehrere Heilige mehr Wirkung haben: Was der eine nicht kann, kann dann vielleicht der andere! Mögen auch heute fast nur noch die Vierzehn Nothelfer – Vierzehnheiligen ist neben Altötting der meistbesuchte Wallfahrtsort Süddeutschlands – bekannt sein, so hat es doch etliche Heiligengruppen gegeben. Allerheiligen ist ein Anlass, sich dieser Gruppen zu erinnern.

Natürlich gibt es im aktuellen Festkalender an einzelnen Tagen mehrere Heilige, die aber nicht automatisch eine Gruppe bilden.

Als Zweiergruppen finden sich heute im kirchlichen Festkalender:

  • 26. Januar: Timotheus und Titus, Bischöfe, Apostelschüler
  • 7. März: Perpetua und Felizitas, Martyrinnen in Karthago (202/203)
  • 3. Mai: Philippus und Jakobus, Apostel
  • 12. Mai: Nerus und Achilleus, Martyrer (um 304)
  • 2. Juni: Marcellinus und Petrus, Martyrer in Rom (303)
  • 29. Juni: Petrus und Paulus, Apostel
  • 26. Juli: Joachim und Anna, Eltern der Gottesmutter Maria
  • 13. August: Papst Pontanius und Priester Hippolyt, Martyrer (235)
  • 20. September: Andreas Kim Taegon, Priester, und Paul Chong Hasang und Gefährten, Martyrer (1839-1866)
  • 26. September: Kosmas und Damian, Ärzte, Martyrer in Kleinasien (303)
  • 19. Oktober: Johannes de Brébeuf, Isaak Jogues, Priester, und Gefährten, Martyrer in Nordamerika (1642-1649)
  • 28. Oktober: Simon und Judas, Apostel
  • 26. November: Konrad (975) und Gebhard (995), Bischöfe von Konstanz

In den Diözesen Essen, Köln, Münster und Paderborn werden seit 1972 die beiden Ewalde, Missionare im Gefolge des hl. Willibrord am 3.10. gefeiert. Der schwarze Ewald und der weiße Ewald gelten als Brüder. Sie starben gegen Ende des 7. Jahrhunderts als Martyrer. In Bonn stehen Cassius und Florentinus in hohen Ehren (10.10.), die als Offiziere der Thebäischen Legion gelten. In Bad Münstereifel werden Chrysanthius und Daria, zwei römische Heilige, deren Todesdatum nicht bekannt ist, verehrt (25.10.).

Heute nicht mehr im Kalender geführt werden die beiden „Wetterherren“ Johannes und Paulus, gleichfalls Brüder, die um 362 ihres Glaubens wegen hingerichtet und am 26.06. gefeiert wurden. Sie wurden zu „Wetterherren“, weil an ihrem Gedenktag die Hagelprozession oder Schauerfeier stattfand.

Dreiergruppen bilden:

  • Drei gute Brüder: Einer Legende vor dem 13. Jahrhundert berichtet, die drei seien Jesus auf dem Weg nach Golgota begegnet und hätten von ihm die Anweisung zur Herstellung eines blutstillendes Mittels erhalten. Die Legende steht im Zusammenhang mit der Legende der blutflüssigen Veronica.
  • Drei heilige Frauen: Als solche werden in Süddeutschland Einbeth, Warbeth und Willbeth verehrt, sonst Margareta, Katharina und Madgalena. Sie wurden den römischen Heiligen Fides, Spes und Caritas gleichgestellt, die als Allegorien zu barocken Prozessionsfiguren erhoben wurden. Im Mittelalter gedachte man ihrer am 01.08.
  • Drei heilige Mad’ln hießen die heiligen Barbara, Margarethe und Katharina. Man merkte sie sich mit dem Spruch: „Sankt Barbara mit dem Turm, Sankt Margreth’ mit dem Wurm [= Drachen in der Legende], Sankt Kathrein mit dem Rad’l, das sind die heiligen Mad’ln.“
  • Drei heilige Könige, deren Gedenktag am 06.01. begangen wird, heißen die in der biblischen Geburtserzählung erscheinenden Magier aus dem Osten. Ihre Gebeine fielen 1162 dem deutschen Heer bei der Zerstörung Mailands in die Hände. Seit 1164 werden sie in Köln verehrt.

Michael, Gabriel und Raphael sind die der Bibel namentlich bekannten drei Erzengel, deren seit der jüngsten Kalenderreform gemeinsam am 29. September gedacht wird.

Die Heilige Familie dagegen, Jesus, Maria und Josef, haben keinen gemeinsamen Gedenktag im Kalender, bilden jedoch die prominenteste Dreiergruppe.

Vierergruppen bilden die folgenden Heiligen:

  • Die vier Evangelisten, Matthäus (21.09.), Markus (25.04.), Lukas (18.10.) und Johannes (27.12.), haben alle einen je eigenen Gedenktag im Kalender, bilden aber durch ihre Autorentätigkeit eine Gruppe.
  • Als die vier Kirchenlehrer gelten Ambrosius 07.12.), Augustinus (28.08.), Gregor der Große (03.09.) und Hieronymus (30.09.).
  • • Der vier heiligen Gekrönten oder lat. Quattuor Coronati gedachte man vor dem Kalenderreform am 08.11.. Sie heißen so, weil man lange nicht ihre Namen kannte, die dann mit Severus, Severianus, Karpophorus und Victorinus angegeben wurden. Die vier Brüder sollen um 305 ihres Glaubens wegen zu Tode gemartert worden sein.
  • Vier heilige Marschälle Gottes nannte man die heiligen Antonius, den Eremiten (17.01.), Papst Cornelius (früher: 16.09.), Hubertus von Tongern-Maastricht (03.11.) und Qurinus von Neuss (30.04.). Ihr Kult blühte besonders im 14. bis 17. Jahrhundert im Rheinland, denn die vier als besonders einflussreich geltenden „Hofbeamten am Thron Gottes“ hatten im Rheinland und im nahen Ausland ihre Verehrungsstätten.
  • Die vier Eisheiligen sind auch heute noch – wenn auch meist nicht namentlich – bekannt: Pankratius (12.05.), Servatius (früher: 13.05.), Bonifatius (früher: 14.05., jetzt: 05.06.) und Sophia (früher: 15.05.). Wegen eines häufigen Kälteeinbruchs an ihren Gedenktagen waren sie zu ihrem Namen gekommen.

Fünfergruppen sind seltener:

  • Die heiligen fünf Brüder Eremiten nannte man Benedikt, Johannes, Isaak, Matthäus und Cristinus (früher: 12.11.), die als Eremiten und Missionare in Polen um 1003 für ihren Glauben starben.
  • Fünf Martyrer nannte man im Mittelalter eine Gruppe von Heiligen, Eustratios, Auxentios, Eugenios, Mardarios und Orstes, die im Alten Armenien als Hauptheilige galten (13.12.). Ihr Kult hatte sich über Kleinasien nach Europa ausgebreitet. Legendarisch war ihr Martyrium mit Sebaste verbunden.


Während Sechsergruppen nicht gebildet wurden, gab es wieder Heilige in Siebenergruppen:

  • Als „Siebenmänner“ bzw. die „Sieben Apostolischen Männer“ gelten der Legende (ca. 8. Jh.) nach sieben Bischöfe, die von Petrus und Paulus in Rom geweiht und zur Mission Spaniens ausgesandt wurden.
  • Die Siebenschläfer haben nichts mit einem gleichnamigen Tier zu tun, an das sich die meisten derer erinnern, die den Siebenschläfertag und seine Funktion als Wetterlostag noch kennen. Eine Legende erzählt von sieben jungen Männern, die sich 250 in Ephesus dem kaiserlichen Befehl widersetzten, den Göttern zu opfern. Sie flohen in eine Höhle vor der Stadt, wurden dort entdeckt und von ihren Verfolgern eingemauert. Gott versetze sie in einen Schlaf, aus dem sie erst 187 Jahre später aufwachten, den staunenden Menschen ihre Geschichte erzählten und bald darauf starben. Ihr Gedächtnistag war in Deutschland der 27.06. (sonst 27.07.). In der Tat hat die Gesamtwetterlage zu Ende Juni Bestand und prägt den Sommer.
  • Als „Makkabäerbrüder“ oder die sieben Makkabäische Brüder bezeichnete man die sieben Brüder, die mit ihrer Mutter nach 2 Buch der Makkabäer 7,1-42 im 2. Jahrhundert vor Christus in Jerusalem gefoltert und hingerichtet wurden. Die Vorstellung der entsühnenden Wirkung des stellvertretenden Todes beeinflusste die Evangelien. Die Makkabäerbrüder bieten eines der frühesten Zeugnisse für den Glauben an die leibliche Auferstehung von den Toten. Deshalb galten sie als „vorchristliche Martyrer“. Als Rainald von Dassel im 12. Jahrhundert Makkabäerreliquien von Mailand nach Köln brachte, entstand die Makkabäerkirche. Gedenktag war der 1.08.. Heute wird der Reliquienschrein aus dem 16. Jahrhundert in der Kölner Dominikanerkirche St. Andreas aufbewahrt.
  • Die „Sieben Gründer des Servitenordens“ werden am 17.02. mit einem Gedenktag gefeiert. Er erinnert an die sieben vornehmen Florentiner, die 1223 auf dem Montesenario den Servitenorden gründeten. Aus ihrer Eremitensiedlung entstand der heute weltweit verbreitete Orden, der den Mendikanten zugerechnet wird.

Gruppen mit mehr als zehn Mitgliedern:

  • Elf Gefährtinnen kennt ursprünglich die Legende der heiligen Ursula – ehe durch einen Lesefehler 11.000 daraus wurden. Der Gedenktag der hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen ist der 21.10..
  • Zwölf Apostel hat sich Jesus Christus erwählt. Und als Judas zum Verräter wurde, wählten die elf Apostel nach Jesu Tod wieder einen zwölften hinzu. Die Zahl zwölf galt darum als lebensfähige Gemeinschaft. Die Regel des hl. Benedikt sieht vor, dass 12 Mönche und ein Abt, ein Abbild des Messias und seiner Apostel, ein Kloster gründen können.

Die bis heute bekannteste Heiligengruppe wurde im 14. Jahrhundert gebildet: die Vierzehnheiligen oder Vierzehn Nothelfer. Das Neue Testament kennt die Vorstellung, dass Kinder stets von Schutzengeln begleitet werden (Matthäus-Evangelium 18,10). 14 Schutzengel kennt auch das berühmte kindliche Abendgebet, das von Engelbert Humperdinck in seiner Oper „Hänsel und Gretel“ vertont wurde. Seit dem 14. Jh. trifft die biblische Tradition mit der von den Vierzehn Heiligen zusammen, dem Glauben an spezielle Heilige, die in bestimmter Not angerufen werden. Sie verbreiteten sich im 15. Jahrhundert über den deutschsprachigen Raum hinaus. Dieser Gedanke ist der Hintergrund der überlieferten Erscheinung, die der Sohn des Klosterschäfers 1445/46 in Frankenthal bei Bamberg hatte: Ihm erschien Christus im Kreis von vierzehn Kindern, die sich als heilige Nothelfer vorstellten. In Vierzehnheiligen bei Staffelstein bildete sich ein bis heute viel besuchter Wallfahrtsort. Nur Altötting hat in Süddeutschland mehr Besucher. Die Vierzehn Nothelfer werden – in Bild und Plastik – meist unter der Gottesmutter Maria dargestellt. Es sind in der Regel: Achatius, der Soldat, (in Todesangst); Abt Ägidius (Helfer bei der Beichte); Barbara (in der Sterbestunde); Blasios von Sebaste (bei Halsleiden und anderen Krankheiten); Christophorus (gegen unvorbereiteten Tod); Cyriakus von Rom (bei Besessenheit); Dionysius von Paris (bei Kopfschmerzen); Erasmus (bei Leibschmerzen); Eustachius (in aller Not); Georg (Schutzheiliger der Reiter und der Haustiere); Katharina von Alexandrien (bei Kopfschmerzen); Margareta von Antiocheia (Beistand der Gebärenden); Pantaleon (bei allen Krankheiten); Vitus (bei Epilepsie, Tollwut und Besessenheit). Lokale oder regionale Traditionen fügen den Vierzehnheiligen gerne noch einen ihrer Heiligen zu. Die Bedeutung der Vierzehnheiligen ergibt sich auch daraus, dass in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allein in Deutschland mehr als 830 spezifische Kultstätten bestanden.

Vierzig Martyrer lautete der Name einer Martyrergruppe, deren Fest am 9.03. begangen wurde. Sie waren Christen aus der Legio fulminata, die im 4. Jahrhundert auf besonders grausame Weise starben: durch Erfrieren lassen in einer Winternacht auf einem vereisten See.

Als die „Zehntausend Martyrer“ galt der im 12. Jahrhundert entstandenen Legende nach das Martyrium eines ganzen römischen Heeres unter dem Befehl von Achatius auf dem Berg Ararat vor Kaiser Hadrian. Gedenktag war der 22.06.

Die „Elftausend Jungfrauen“ im Gefolge der heiligen Ursula entsprangen einem Lesefehler, schienen aber durch die Reliquienfunde im Umfeld von St. Ursula in Köln bestätigt zu werden.

Unpräzisierte Größen stellen die folgenden Gruppen dar:

Unschuldige Kinder (lat. Innocentes), heute am 28.12. und früher am 18.05. gefeiert; Maurische Martyrer, in Köln im Mittelalter in 37 Kirchen vertreten; Thebäische Legion, mit einem Gedenktag am 22.09., in Köln im Mittelalter in 16 Kirchen vertreten; Ursulanische Gesellschaft nannte man auch die Gefährtinnen der heiligen Ursula (21.10.); Schutzengel (02.10.) feiert man auch ohne zahlenmäßige Eingrenzung am Schutzengelfest.

Heilige in Gruppen und Gruppenheilige sind nicht nur entstanden, weil Männer oder Frauen gemeinsam in einer Gruppe ihres Glaubens wegen starben und dann heilig wurden. Gemeinsame Merkmale wie bei den Evangelisten oder den bischöflichen Missionaren in Spanien, Wetterregeln an bestimmten aufeinanderfolgenden Tagen wie z.B. bei den „Eisheiligen“ oder der Symbolwert bestimmter Zahlen wie drei, sieben oder vierzehn haben zur Gruppenbildung geführt. Den Gläubigen war es recht, denn wenn schon ein Heiliger über ungeahnte Heilmittel verfügte, bot eine Heiligengruppe ungleich mehr: Mehrere Heilige waren unseren Vorfahren mehr als bloß ihre Summe. Sie waren ein unschlagbares Team. Und solche Hilfe hatten unsere Vorfahren oft nötig.

 

 

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