Von Pfinstel, Pfingstochs, Pfingstbraut und Pfingstkönig

Pfingstliches Brauchtum

Pessach oder Passah am ersten Frühlingsvollmond bezeichnete im Judentum den Anfang der Getreideernte. Es ist das Fest, das im Christentum mit Ostern verbunden ist. Oster wird am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert. Die erste Ernte (Gerste) wurde eingefahren und ein Teil davon am zweiten Festtag im Tempel geopfert. Die folgenden 49 Tage wurden bei den Juden gezählt und deshalb erhielt dieser Zeitraum den Namen Sefira (= Zählung), vgl. Lev 23,15f. Der fünfzigste Tag war Schawuot, an dem die nächste Getreideernte (Weizen) stattfand. Nach Maimonides lag der Sinn der Tage vom Auszug in Ägypten bis zur Feier des Empfangs der Gesetze auf dem Berg Sinai darin, den Gläubigen zu zeigen, dass Befreiung aus Knechtschaft allein nicht viel bedeutet und dass Freiheit ohne Gesetz ein zweifelhafter Segen ist. Am Tage Schawuot, der später bei den Christen den Namen „Pfingsten“ erhielt, ereignete sich durch die biblisch berichtete Herabkunft des Heiligen Geistes das Pfingstwunder: Durch Feuerzungen sichtbar kam der Heilige Geist über die Jünger und bewirkte ihr Sprechen in vielen fremden Sprachen. Das Wort „Pfingsten“ entstand aus dem griechischen Wort Pentecoste, der fünfzigste (Tag), denn das erste Pfingstfest wurde laut Apostelgeschichte am „Fest der (Weizen-) Ernte“ fünfzig Tage nach dem österlichen Paschafest gefeiert. Weil der Tag des Osterfestes variiert, fällt Pfingsten auch auf variable Termine zwischen dem 10. Mai und 13. Juni (Pfingstgrenze).

Auch Pfingsten, wie dieses Fest bei den Christen nun heißt, ist – im übertragenen Sinn – ein Erntefest: Christi Ernte ist die Gründung der Kirche, Pfingsten ihr Geburtstag. Als die Christen den Zeitpunkt des Osterfest anders als die Juden berechneten, hielten sie an dem Fest fünfzig Tage nach Ostern fest, das wahrscheinlich schon in apostolischer Zeit gefeiert wurde.

Andere Namen für Pfingsten sind: Adventus spiritus sancti, chinxen oder cynxen (Ndl.), dies penetecostes (spiritus sancti), dominica pentecostes, Faisten oder faistag (Siebenbürgen), Geistag, Pascha de madio (pentecostes, rosarum), Pinxten. Der Pfingstmontag hieß Stolzer oder hübscher Montag, der Pfingstdienstag Geiler Zinstag, Zinstag, der Pfingstmittwoch Hoher Mittwoch, Hochmittwoch, Knoblauchmittwoch (Thür.), der Pfingstdonnerstag wurde in Köln Holzfartdache, Holzfehrdach genannt.

Mit dem offiziellen Sommerauftakt zum 1. Mai bzw. zu Pfingsten war der Winterabschied am 30. April verbunden. Die sogenannte „Walpurgisnacht“ hat viel vom Jahresabschlussbrauchtum: Lärm, um die Hexen und Dämonen zu vertreiben, Tanz, Essen und Trinken.

Das pfingstliche Brauchtum spielt entweder das pfingstliche Geschehen nach oder hat jahreszeitliche Bezüge als Frühlings- oder Maienbrauchtum. Das Mittelalter verdeutlichte die Herabkunft des Heiligen Geistes durch brennendes Werg, das aus dem Kirchengewölbe auf die versammelte Gemeinde rieselte. Andernorts wurde eine lebende oder auch eine hölzerne Taube als Symbol des Heiligen Geistes herabgelassen (Heilig-Geist-Schwingen). Seit dem Konzil von Nicäa wird der Heilige Geist als Taube dargestellt. Zuvor wählte man die Gestalt einer Frau (Hagia Sophia) oder eines Jünglings, der sich nur in manchen Darstellungen der Dreifaltigkeit erhalten hat. Die Taube, die seit dem Barock verstärkt zum Symbol von Pfingsten wurde ist ein Symboltier, dessen Ansehen bis heute sehr gelitten hat. Exegetisch ist das Symbol nicht ganz eindeutig, denn es heißt in der Heiligen Schrift an drei Stellen einheitlich (Mt 3,16; Mk 1,10; Joh 1,32), der Geist Gottes sei wie eine Taube, aber nicht als eine Taube herabgekommen. Allerdings schreibt Lukas, der Geist Gottes sei „sichtbar in Gestalt einer Taube“ herabgekommen (Lk 3,22). Die Taube hat als Symbol einen radikalen Bedeutungsverlust erlitten: Der „Vogel der Könige“ wurde erst zur Brieftaube des kleinen Mannes und schließlich in unseren Großstädten zur „Ratte der Lüfte“. Als Bild des Heiligen Geistes erschließt sich die Taube vielen Menschen nicht mehr, die sich nicht von der zeitgebundenen Konnotation lösen können. Im Barock dagegen war die Taube als Symboltier des Heiligen Geistes beliebt und darum wurden vor allem Hospize und Hospitäler gerne „Zum Heiligen Geist“ genannt. Die Taube galt als Ikon und Erkennungszeichen praktizierter Nächstenliebe.

Ursprünglich mit Pfingsten verbunden war der Große Wettersegen, ein Gebet, bei dem Priester und die Gemeinde um eine gute Ernte baten. Später konnte der Wettersegen vom Fest der Kreuzauffindung (3. Mai) bis zum Fest der Kreuzerhöhung (14. September) am Schluss der Messe erteilt werden. Die Gebete waren nach Gegend unterschiedlich.

Liturgienahes religiöses Brauchtum hat sich zu Pfingsten kaum ausgebildet. Die Pfingstbrezel zum Beispiel gab es nicht in ganz Deutschland, aber u. a. in Böhmen. Am Pfingst(vor)abend legten die Kinder Huflattichblätter vor die Türe, auf denen sie morgens die Pfingstbrezel fanden. Der Huflattich wurde gepresst und aufbewahrt, weil er gegen verschiedene Schmerzen helfen sollte. Vielfältiger sind die jahreszeitlichen mit Pfingsten verbundenen Bräuche. Zwar hat es zeitweise Pfingstspiele gegeben (Freiberger Pfingstspiele), bei denen vom Spätmittelalter bis in das 19. Jahrhundert die Heilsereignisse von Pfingsten bis zum jüngsten Gericht dargestellt wurden. Berücksichtigt wurde hier, dass die Pfingstoktav, das Dreifaltigkeitsfest, den Auftakt für die Sonntage bis zum Ende des Kirchenjahres gab, bei denen die „Letzten Dinge“ des Menschen („Quattuor Novissima“) im Mittelpunkt standen. Aber diese Pfingstspiele haben sich nicht erhalten.

Schabernack in der Nacht von Pfingstsonntag auf -montag und das Verstellen von Sachen leitet sich von einem alten Abwehrzauber her. Die Häuser wurden geweißt und Pfingstmaien angebracht, frische Birkenäste, geschmückt mit Bändern und Blumen, die verliebte Burschen ihren Mädchen als Symbole der Jugendfrische und Zuneigung („Ich bin dir grün!“) vor die Tür pflanzten oder an das Haus steckten. Schlimmer als gar keine Maien zu erhalten, war es für ein Mädchen, von einem „verblichenen“ Freund eine sogenannte Schandmaien aufgesteckt zu bekommen: einen dürren Stecken oder das kahle Gerippe eines ehemaligen Christbaumes. Auch Kirschzweige (Symbol für Klatschsucht) oder Weißdorn (Symbol für eine, die unbedingt geheiratet werden will) galten als wenig geliebte Gaben.

Das Setzen von Liebesmaien zu Pfingsten steht in Verbindung mit dem alten Brauch des „Mailehens“. Hierbei erhalten die heiratsfähigen Burschen heiratsfähige Mädchen „zu Lehen“, die sie – in der Regel im laufenden Jahr – zu Tanz und Feier ausführen mussten/durften. Die Paarbildung zum Zwecke des näheren Kennen Lernens erfolgte durch Verlosung oder Versteigerung. Die Maien setzten die Burschen „yren metzten zuo eer“, wie Sebastian Franck 1534 notiert.

Neben den Liebesmaien gab es immer den Maibaum (Pfingstbaum) des Dorfes oder des Stadtteils, meist eine Fichte oder Tanne, die – bis auf den Wipfel – entastet war. Dieser Maibaum wurde durch einen Kranz, Fahnen, Bänder, Zunftzeichen usw. geschmückt und auf dem Dorfplatz aufgestellt. Wichtig war, dass der Baumstamm säuberlich entastet und damit sehr glatt war. Zusätzlich wurde er gerne mit Seife eingerieben, denn er diente für Wettkämpfe als Kletterbaum. Bei diesen Spielen wurde der „Pfingstbräutigam“ oder „Pfingstkönig“ ermittelt, der sich eine „Pfingstbraut“ oder „Pfingstkönigin“ erwählen durfte, mit der er die „Pfingsthochzeit“ feierte. Bis in unsere Tag ist der „Maibaumklau“ im Nachbardorf, der dann nur durch – viel, oft sehr viel oder sogar zu viel – Bier ausgelöst werden kann, ein beliebter „Sport“.

Abschluss des weltlichen Pfingstfestes bildete vielfach das Einholen einer Pfingstgestalt: z. B. des Butz, Graskönig, Nickel, Pfingstl, Pfingst(d)reck, Pfingstkerl, Pfingstlatzmann, Pfingstlümmel, Quack, Sommergewinn oder Wasservogel geheißen. Diese Figur war in frisches Grün gekleidet und stellte den Sommerbeginn dar. In dieser Tradition stehen die Gemeinschaftsfeiern von Schützen- oder Kegelvereinen, die sich gerne Pfingstmontag treffen, um ihren „König“ zu ermitteln.

Pfingsten ist aber auch ein Hirtenfest, weil an diesem Tag das Vieh – natürlich festlich geschmückt – erstmals im Jahr auf die Weiden getrieben wurde: Die „Pfingstweide“ wurde eröffnet. In grünes Laub gekleidete Burschen traten auf, die die neuen Wachstumsgeister verkörperten.

Der „Pfingstochse“ wird zumeist auf ein geschmücktes Rind zurückgeführt, das zur Weide getrieben wurde. Eher scheint der Begriff aber von dem Ochsen abgeleitet zu sein, der an Pfingsten geschlachtet und zuvor geschmückt durch das Dorf geführt wurde. Vielleicht geht der Pfingstochse auf eine vorchristliche jahreszeitliche Opferhandlung zurück. Die – immer negativ gebrauchte – Bezeichnung „Pfingstochse“ bezieht sich auf einen, der zwar noch „schön“ wirkt, aber nur, weil er noch nicht ahnt, dass er bereits verloren ist.

„Pfingstlümmel“ oder „Pfingstbloch“ hieß für ein ganzes Jahr der Hütejunge im Erzgebirge, der als letzter beim Weideauftrieb erschien. Sein Gegenstück war der „Tauschlepper“, weil er als erster den Tau von den Gräsern „abgeschleppt“ hatte.

Traditionell hatte Pfingsten auch für die Bauern Auswirkungen: Die an Pfingsten gemolkene Milch gehörte in alten Zeiten den Mägden, die mit der „Pfingstmilch“ ihren jungen Burschen ein Fest aus Milchsuppe mit Mandeln und Eiern anrichteten. „Pfingstbier“ hieß das Gegenfest der jungen Burschen, das am Pfingstmontag nach der Kirche mancherorts mit Essen, Trinken und Tanz auf dem Dorfplatz gefeiert wurde.

Flurumritte, Grenzabschreitungen und Prozessionen fanden ebenfalls zu Pfingsten statt. Nach altem Denken sollten die Umzüge der neuen Saat Heil und Segen bringen. Die Kirche suchte die Flurumritte, die im Umfeld von Pfingsten stattfanden, möglichst auf Pfingsten zu konzentrieren. Das galt auch für den Umritt am Urbanstag. Der Papst und Märtyrer Urban I. (222–230) gilt als Weinpatron. Die an seinem Festtag, dem 25. Mai, begangenen Umritte der Winzer sind vielfach auf Pfingsten verlegt worden. In luxemburgischen Echternach hat sich eine – der im Mittelalter zahlreichen – Springprozessionen zu Ehren des hl. Willibrod (+ 739) auf Pfingstdienstag erhalten, bei der auf eine eingängige Melodie getanzt wird. Heute bezeichnet man dies gerne als „homöopathische Therapie“: Durch eine dosierte Bekämpfung eines Übels durch das Übel selbst – und natürlich durch göttlicher Gnade – sollten Nervenzucken und Veitstanz therapiert werden.

Der Brauch, zu Pfingsten eine Quelle zu besuchen und das frische Wasser als gesegnetes Wasser das Jahr über zu benutzen, scheint mit dem Neubeginn des Lebens zusammenzuhängen. Brunnenfeste (Maibrunnen, Maibrunnenfeste) sind stehen in dieser Tradition.

Pfingsten hat eine „eigene“ Blume: die Pfingstrose oder Päonie, von heute jeder weiß, dass sie keine Rose, sondern ein Hahnenfußgewächs ist. „Benediktinerrose“ heißt sie auch, weil sie von Mönchen nach Deutschland gebracht worden sein soll. Ursprünglich Heilpflanze, in China der Kaiserin vorbehalten und dann Gartenzierpflanze und Symbolpflanze der Gottesmutter, nannte man sie auch Gichtrose, Königsblume, Bauernrose, Essigrose und Peguine.

Die bei diesen Pfingstfeiern auftretenden türkischen Kaiser oder Franziskus, römischer Kaiser, (Nusplingen, Württemberg), sind ebenso wie das gehäufte Auftreten von Reitern, Reiterspielen und Gemeinschaftsfeiern (z. B. Weingartener Blutritt, Kötztinger Pfingstritt) Hinweise auf die mit Pfingsten verbundene Heerschau. Sie führt auf ein uraltes Brauchtum zurück: Der vorjulianische römische Kalender begann das Jahr mit dem 1. März – und das nicht ohne Grund, denn in Rom beginnt die warme Jahreszeit. Die Benennung des ersten Monats nach dem Kriegsgott Mars scheint auch nicht zufällig zu sein, denn der 1. März war im Römischen Reich Tag der Truppenschau: Die neu einberufenen Rekruten präsentierten sich in Rom auf dem campus Martius, dem Mars- oder Märzfeld.

Nördlich der Alpen konnte man dieses Ereignis nicht am 1. März begehen, denn hier herrschte noch der Winter. Auf Anordnung Pippin III. des Kurzen (751–768) aus dem Jahr 755 wurden die Heerschauen auf den 1. Mai gelegt. Sie fanden entsprechend auf den Maifeldern statt. Diese Bezeichnung hat sich vielfach in Deutschland erhalten. Das bekannteste Maifeld ist jenes in Berlin, das dann zum „Reichssportfeld“ und zum „Olympiastadion“ wurde.

Die Heerschau erfolgte ursprünglich durch den König selber, der festlich Hof hielt und die Schwertleite, die Erhebung Geeigneter in den Ritterstand, in den Mittelpunkt stellte. Später richteten „Maigrafen“ die Heerschau und das Fest aus, das sich dem Mairitt der waffentragenden Männer anschloss. Kirchenvertreter haben diese Festivität ohne kirchliche Bezüge in den religiösen Festkreis einzuordnen gesucht. Das benachbarte Pfingstfest bot sich an, denn in der Apostelgeschichte wird im 2. Kapitel berichtet, dass fromme Männer aus jedem Volk unter dem Himmel in Jerusalem versammelt gewesen waren. Da dies auch auf die Heerschau am 1. Mai anzuwenden war, bei dem der Hofstaat des Königs natürlich eine große Zahl von Ausländern aufwies, ließ sich das Ereignis zunehmend vom 1. Mai auf Pfingsten (meist Pfingstmontag) verlagern.

Die mit der Heerschau verbundenen Turniere mit Ring- und Kranzstechen, Wettreiten, Kämpfe von Mann gegen Mann und Mann gegen Holzfiguren, waren der Kirche ein Dorn im Auge, weil diese Mutproben die Gegner vielfach alles vergessen ließen. Seit dem Zweiten Laterankonzil 1139 warnte die Kirche wiederholt vor der Gefahr dieser Turniere. Papst Clemens V. (1305–1314) verbot sie 1313 unter Androhung des Verbots der kirchlichen Beisetzung bei Zuwiderhandlung. Dieses Turnierverbot hatte zwei Folgen: Zum einen wichen die, die an diesen Turnieren festhielten, auf die Fastnacht aus, zu der auch die Kirche diese Turniere, die hier als törichtes Tun vorgeführt wurden, nicht verbieten konnte. Zum anderen wandelten sich die Heerschauen in Reiterprozessionen und Umritte, die sich dem religiösen Anlass unterordneten.