Von Maialtären, Maibäumen, Liebesmaien und anderen Bräuchen im Wonnemonat

Viele Bräuche sind ebenso beliebt wie ihre Wurzeln unbekannt

In fast jeder Kirche findet er sich jetzt, der „Maialtar“, eine besonders mit Blumen und Kerzen geschmückte Marienstatue, die optisch den Mittelpunkt der Maiandachten bildet. Andachten zu Ehren der heiligen Gottesmutter Maria an jedem Tag des Maria geweihten Monats Mai – nicht zu verwechseln mit den Rosenkranzandachten im Monat Oktober – entstanden als barocke Frömmigkeitsform. Die erste von den Kamillianern durchgeführte Maiandacht fand 1784 in Ferrara statt. Im 19. Jahrhundert verbreitete sich diese Andachtsform von Italien aus und setzte sich weltweit in der katholischen Kirche durch. In Deutschland fand die erste Maiandacht 1841 im Kloster der Guten Hirtinnen in München-Haidhausen statt. Die deutschen Diözesen folgten innerhalb weniger Jahre: 1842 Aachen, 1844 Regensburg, 1847 Breslau und Rottenburg, 1850 Köln und Münster, 1851 Mainz, 1852 Paderborn, Osnabrück und Speyer, vor 1855 Trier, 1855 Eichstätt und Passau, 1858 Augsburg, Freiburg und Würzburg. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war es in Deutschland üblich, dass auch jede Familie im Monat Mai zu Hause einen „Maialtar“ (rheinisch: „Maialtärchen“) aufbaute: Eine blumengeschmückte Marienstatue (u. a. mit Maiglöckchen) etwa im Herrgottswinkel, ein zusätzliches Ave-Maria zum Morgen-, Tisch- oder Abendgebet und der „Engel-des-Herrn“ um 12 Uhr galten als üblich.

Der Monatsname Mai wurde im Deutschen nach dem lateinischen maius gebildet (vgl. mhd. meie, ahd. meio, ital. maggio, frz. mai). Als Namensgeber wird ein altitalischer Gott Maius vermutet, der Beschützer des Wachstums gewesen sein soll. Andere Bezeichungen: mensis Marie (Italien), Wunnimanoth, Winnemonat, Wonnemond. Der 1. Mai galt als offizieller Sommerauftakt. Nur natürlich war es deshalb, dass sich der Vortag, der 30. April, als Winterabschied mit entsprechendem Jahresendbrauchtum und Elementen des Wintervertreibens verband. In der „Walpurgisnacht“ muss Lärm gemacht werden, um die Hexen und Dämonen zu vertreiben; Tanz, Essen und Trinken bieten hierzu ausreichend Gelegenheit. Bei dieser Festivität wird vielerorts der „Maibaum“ – durch die Freiwillige Feuerwehr, die Schützen o. a. – aufgestellt. In allen Kulturen und Religionen symbolisiert der Baum das Leben; deshalb sind Bäume Göttersitze, befinden sich heilige Orte in Hainen, entstehen Gerichtslinde und Maibaum.

Der Maibaum oder Pfingstbaum des Dorfes oder des Stadtteils ist meist eine Fichte oder Tanne, die – bis auf den Wipfel – entastet wird. Dieser Maibaum wird durch einen Kranz, Fahnen, Bänder, Zunftzeichen usw. geschmückt und auf dem Dorfplatz aufgestellt. Wichtig ist, daß der Baumstamm säuberlich entastet und damit sehr glatt wird. Zusätzlich wird er gerne mit Seife eingerieben, denn er dient für Wettkämpfe als Kletterbaum. Bei diesen Spielen wurde der „Maibräutigam“ oder „Maikönig“ ermittelt, der sich eine „Maibraut“ oder „Maikönigin“ erwählen durfte, mit der er die „Maihochzeit“ feierte. Bis heute ist der „Maibaumklau“ im Nachbardorf, der dann nur durch – oft sehr viel – Bier ausgelöst werden kann, ein beliebter „Sport“.

Frische Birkenäste, geschmückt mit Bändern und Blumen, die Liebesmaien, setzen verliebte Burschen ihren Mädchen als Symbole der Jugendfrische und Zuneigung („Ich bin dir grün!“) in der Nacht auf den 1. Mai oder zu Pfingsten vor die Tür oder stecken sie an das Haus. Schlimmer als gar keine Maien zu erhalten war es für ein Mädchen, von einem „verblichenen“ Freund eine sogenannte Schandmaien aufgesteckt zu bekommen: einen dürren Stecken oder das kahle Gerippe eines ehemaligen Christbaumes. Auch Kirschzweige (Symbol für Klatschsucht) oder Weißdorn (Symbol für eine, die unbedingt geheiratet werden will) galten als wenig geliebte Gaben. Das Setzen von Liebesmaien steht in Verbindung mit dem alten Brauch des „Mailehens“. Hierbei erhalten die heiratsfähigen Burschen heiratsfähige Mädchen „zu Lehen“, die sie – in der Regel im laufenden Jahr – zu Tanz und Feier ausführen mussten/durften. Die Paarbildung zum Zwecke des näheren Kennenlernens erfolgt durch Verlosung oder Versteigerung. Die Maien setzten die Burschen „yren metzten zuo eer“, wie Sebastian Franck 1534 notiert.

An den Wert und die Bedeutung sauberen Wassers erinnern die Brunnenfeste, die zwischen Ostern und dem Monat Mai (Maibrunnenfest) vor allem im Süddeutschen stattfinden. Der Brunnen wird gereinigt und festlich geschmückt: Girlanden, oft mit ausgeblasenen bunten Eiern als Fruchtbarkeitssymbol versehen, und Birkengrün geben die Kulisse für Kerzen und Lampen. Früher wurden bei dem Reinigungsfest auch die schadhaften Geräte, Schöpfkellen und Wassertransportgefäße, ersetzt. Wenn nötig, wählte man einen neuen Brunnenmeister. In einigen Gegenden umkränzte man den Brunnenrand mit Moos und versteckte in Moosnestern Eier, aus denen der Dorfbäcker einen großen Kuchen für alle buk. Umzüge und Frühlingsspiele gehörten zu diesem Ereignis, das als Nachbarschaftsfest gefeiert wurde.

Der vorjulianische römische Kalender begann das Jahr mit dem 1. März – und das nicht ohne Grund, denn in Rom ist dies der Beginn der Sommerzeit. Die Benennung des ersten Monats nach dem Kriegsgott Mars scheint auch nicht zufällig zu sein, denn der 1. März war im römischen Reich Tag der Truppenschau: Die neu einberufenen Rekruten präsentierten sich in Rom auf dem campus Martius, dem Mars- oder Märzfeld. Nördlich der Alpen konnte man dieses Ereignis nicht am 1. März, wohl aber am 1. Mai begehen. Auf Anordnung Pippins III. des Kurzen (751–768) aus dem Jahr 755 waren die Heerschauen auf den 1. Mai gelegt worden. Sie fanden entsprechend auf den „Maifeldern“ statt. Diese Bezeichnung hat sich vielfach in Deutschland erhalten. Das bekannteste Maifeld ist wohl jenes in Berlin, das dann zum „Reichssportfeld“ und zum Olympiastadion wurde. Die Heerschau erfolgte ursprünglich durch den König selber, der festlich Hof hielt und die Schwertleite, die Erhebung Geeigneter in den Ritterstand, in den Mittelpunkt stellte. Später richteten „Maigrafen“ die Heerschau und das Fest aus, das sich dem Mairitt der waffentragenden Männer anschloss. Kirchenvertreter haben diese Festivität ohne kirchliche Bezüge in den religiösen Festkreis einzuordnen gesucht. Das benachbarte Pfingstfest bot sich an, denn in der Apostelgeschichte wird im 2. Kapitel berichtet, dass fromme Männer aus jedem Volk unter dem Himmel in Jerusalem versammelt gewesen waren. Da dies auch auf die Heerschau am 1. Mai anzuwenden war, bei der der Hofstaat des Königs natürlich eine große Zahl von Ausländern aufwies, ließ sich das Ereignis zunehmend vom 1. Mai auf Pfingsten (meist Pfingstmontag) verlagern.

Fester Bestandteil des Mai sind auch die Eisheiligen, eine Bezeichnung für die – bis auf Pankratius durch die Liturgiereform geänderten – Gedächtnistage der Heiligen Pankratius (12. Mai), Servatius (13. Mai) und Bonifatius (14. Mai) – Pankraz, Servaz, Bonifaz. An diesen Tagen ist erfahrungsgemäß ein verspäteter polarer Kälteeinbruch mit Nordwinden und sogar Frost zu erwarten. Dies hat zu der Bezeichnung „Eisheilige“ für den 12. bis 14. Mai geführt. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gehört auch der 15. Mai, der Gedächtnistag der heiligen Sophia, zu den Eisheiligen. Der 15. Mai heißt deshalb auch „kalte Sophie“.