Licht ist Leben – Lichtsymbolik zu Weihnachten und Ostern

„Lumen Christi“, Licht von Christus, singt der Diakon in der Osternacht, wenn er mit der soeben entzündeten Osterkerze in die dunkle Kirche einzieht. Es folgt das herrliche „Exsultet“, in dem es heißt: „Erfreue dich, o Erde, überflutet vom (Licht-) Strahl aus der Höhe; Licht des ewigen Königs umleuchtet sich! Wisse: Entschwunden ist allerorten das Dunkel.“ Und ein paar Zeilen später wird die Metaphorik auf den Menschen übertragen: … „lichtvoll mache Er mich in dem Schein Seines Lichtes, würdig, das Lob dieser Leuchte zu verkünden.“ Die Dualität von Dunkel und Licht steht für Schuld und Erlösung; deshalb kann diese Nacht als „vera beata nox“, wirklich selige Nacht,  und die Schuld Adams als „felix culpa“, glückliche (= heilbringende) Schuld, bezeichnet werden.

Die Lichtsymbolik prägt die nicht nur die Osternacht, sondern auch die Heilige Nacht zur Weihnacht hin, denn liturgisch spiegelt sich Ostern in Weihnachten. Beide Nächte, die durchwacht und durchbetet werden sollen, heißen jeweils „nox sacratissima“, heiligste Nacht. Denn nach beiden Nächten symbolisiert die aufgehende Sonne Christus, der im Johannesevangelium als „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet,“ bezeichnet wird. Und Ostern hat sogar seinen Namen nach dieser Lichtsymbolik bekommen, weil das griechische „aurora“, Morgenröte, über „eostere“ das heutige Wort „Ostern“ ausgebildet hat.

Licht im Alten und Neuen Testament

Das Alte und das Neue Testament sind gespickt mit Bildern, in denen das Licht Gott symbolisiert: Wenn Gott Moses in einem brennenden Dornbusch begegnet (Ex 3,2), wenn Gott als Feuersäule vor den Israeliten durch die Wüste zieht (Ex 13,21ff.), wenn Jesus in Anwesenheit von drei Jüngern auf einem Berg verklärt wird und sein Gesicht wie die Sonne leuchtet und seine Kleider blendend weiß wie Licht werden und er Moses und Elija begegnet und Gott Vater aus einer leuchtenden Wolke spricht (Mt 17,1ff.), wenn die Ewigkeit in Gott beschrieben wird, der über den Gerechten leuchten wird (Offb 22,5) und die Gerechten in Gottes Licht wandeln. Jesus selbst verwendet die Bildhaftigkeit des Lichtes, um sich und seine Funktion zu beschreiben: „ Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Oder: „Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt“ (Joh 12,46). Auch Gottes Heiliger Geist, der Stärke und Zuversicht vermittelt, kommt als Lichtzeichen in Form von Feuerzungen über die mutlosen Jünger (Apg 2,1–13).

Natürlich fand das Licht auf diesem Hintergrund bereits in alttestamentlichen Zeiten Eingang in die Riten und die Liturgie: Am siebten Tag des Laubhüttenfestes wurden im Frauenvorhof des Tempels vier große Leuchter aufgestellt, die ihr Licht über ganz Jerusalem verbreiten sollten. Die Menora, der siebenarmig Leuchter, gehörte zum Kultgerät in der Stiftshütte (Ex 25,31) und im zweiten jüdischen Tempel und findet sich heute noch im Staatswappen des Staates Israel. Die in den menschlichen Alltag übertragene Lichtsymbolik zeigt sich im Verständnis der Kerze, die nicht bloß physisch Licht ins Dunkle bringt. Sie ist Symbol der Reinheit und steht in jüdischer Tradition für Körper und Seele. Die Flamme ist die Seele, weil sie immer nach oben strebt. Kerze und Flamme zusammen versinnbildlichen den Menschen. Die Begründung sehen Juden in Sprüche 20,27: Die Seele des Menschen (hebr. neschama, auch: Geist, Atem) sei als Licht des Herrn (hebr. ner, Lampe, Leuchte) zu verstehen. Von hier erklärt sich auch das christliche Kerzenopfer, das Aufstellen einer Kerze zur Verehrung Gottes oder eines Heiligen: Die Kerze steht sinnbildlich für den Beter. Ihre Farbe kann auf den Spender oder auf den Zweck verweisen: Weiße Kerzen stehen für Männer, rote für Frauen, schwarze Kerzen waren Wetterkerzen, geweihte Kerzen, die bei Gewitter angezündet wurden. Der Brauch, in einem Trauerhaus sieben Tage lang ein Licht brennen zu lassen, wird erstmals in der jüdischen Literatur des 13. Jahrhunderts erwähnt.

Lichtsymbolik außerhalb der Liturgie

Die Realpräsenz Gottes im Tabernakel bezeugt in einer katholischen Kirche das Ewige Licht. Ein Ewiges Licht brennt auch auf vielen Domherrenfriedhöfen in einer oft mit Totensymbolik geschmückten Ampel. Den gleichen Gedanken realisieren auch Lichter auf den Gräbern der Verstorbenen. Der ursprünglich als Paradiesbaum im Vorspiel zum Krippenspiel in der Kirche aufgestellte Christbaum hat nach seinem Einzug in die Wohnungen wieder den Charakter eines himmlischen weihnachtlichen Paradiesbaumes, natürlich mit Lichterglanz, angenommen. Martinsfeuer und Martinslampen, Kerzenweihe und Johannisfeuer, Lichtprozession zur Evangeliumsverkündigung, Feuer bei der Altarweihe – das Licht als Zeichen göttlicher Präsenz ist religiös omnipräsent.

Selbst das kirchliche Festjahr ist von diesem Ursymbol geprägt. Neun Monate vor der Geburt Jesu feiert die Kirche Mariä Verkündigung (25. März) und drei Monate später die Geburt Johannes des Täufers (24. Juni) zur Sommersonnwende. Der Vorläufer Jesu soll gesagt haben: „Er [= Jesus Christus] muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh 3,30). Die Natur selbst liefert gleichsam den Beleg für die Bedeutung des Messias, indem die Tage zunächst kürzer und nach Weihnachten dann wieder länger werden.

Ohne Licht gibt es kein Leben und kein Leben existiert ohne Licht. Nichts ist ohne Gott und ohne Gott ist Nichts. Wer Zweifel an der Wirkmacht des Ursymbols Licht hatte, wurde durch die Vigil auf dem Marienfeld anlässlich des Weltjugendtages 2005 bekehrt.