„Wir haben seinen Stern gesehen“ – Heiden entdeckten den Messias

Im Rahmen der Geburtserzählung berichtet der Evangelist Matthäus (2, 1–16), und nur er, von Magiern – ohne eine Anzahl anzugeben – (gr. mágoi; im engeren Sinn Angehörige der medischpersischen Priesterkaste; im weiteren Sinne Astrologen, Traum-, Orakeldeuter, Seher), die einen „Stern“ („Stern von Bethlehem“) gesehen haben, dem sie über Jerusalem bis zum Geburtsort Christi gefolgt sind. Herkunft und Namen der Magier werden nicht genannt. Heute wird die Historizität der Magiererzählung von der neutestamentlichen Forschung mehrheitlich nicht aufrechterhalten.

Anhand der drei symbolischen Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe – wurde schon von Origines (um 185–254) die Dreizahl der Magier angenommen, was bald Allgemeingut wurde. Tertullian (um 160–220) verweist auf Jes 60, 3 und Ps 72, 10: „Könige von Tarschisch, Saba und Scheba bringen Geschenke“. Spätestens seit Caesarius von Arles (469–542) sind die drei Magier zu Königen geworden. Als letztes bilden sich für die drei Könige Namen aus. Die „Legenda aurea“ nennt noch die angeblich hebräischen Namen „Appelius, Amerius, Damscus“ und die angeblich griechischen „Galgalat, Balthasar, Melchior“. Aber schon das berühmte Mosaik aus dem 6. Jahrhundert in Ravenna (S. Apollinare Nuovo) listet auf: Der Älteste heißt Caspar, der mittlere Balthasar, der jüngste Melchior. Keiner der drei hatte zu diesem Zeitpunkt eine schwarze Hautfarbe. Seit dem 9. Jahrhundert sind Caspar (persisch: Schatzmeister), Melchior (= Lichtkönig) und Balthasar (= Gottesschutz) üblich. Seit Beda Venerabilis (674–735) repräsentieren die Dreikönige die drei Lebensalter: Jüngling, Mann „in den besten Jahren“ und Greis. Die Dreikönige versinnbildlichen darüberhinaus die drei damals bekannten Kontinente: Asien, Europa und Afrika. Über den weiteren Lebensweg der Dreikönige erzählen die Apokryphen. Das Proto-Evangelium des Thomas (6. Jh.) berichtet von ihrer Taufe. Sie sollen später zu Priestern und Bischöfen geweiht worden sein und – nach einer gemeinsamen Weihnachtsfeier – seien alle drei kurz nach 53 hintereinander gestorben.

Die Reliquien der Dreikönige sollen durch Kaiserin Helena (+ 330), Mutter des ersten christlichen römischen Kaisers Konstantin (um 280–337), aufgefunden worden sei. Sie gelangten nach Konstantinopel und wurden von dort durch Bischof Eustorgius I. im 4. Jahrhundert nach Mailand verbracht. Sie ruhten in einem großen römischen Sarkophag in San Eustorgio. Als Kaiser Friedrich Barbarossa 1162 Mailand eroberte und zerstörte, bemächtigte er sich auch der Reliquien der Stadt. Die Reliquien der hl. Dreikönige überließ er seinem Kanzler, dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel (1159–1167), der sie am 23. Juli 1164 (Fest der Translation) feierlich in die Stadt Köln überführte. Hier wurde 1180–1225 durch den „Meister von Verdun“ für die Reliquien ein kostbarer Reliquienschrein, der aus der Kombination von drei Schreinen bestehende „Dreikönigsschrein“, angefertigt, der größte erhaltene des gesamten Mittelalters. Er wurde Anlass zum Bau der Kölner gotischen Kathedrale, für die 1248 der Grundstein gelegt wurde. Um 1200 trennte man bei den Reliquien die Häupter ohne Unterkiefer ab und stellte sie gekrönt auf einem sogenannten Häupterbrett aus. 1904 wurde ein Teil der Reliquien vom Erzbistum Köln an Mailand zurückgegeben. Dort werden sie in einer Urne unter dem Altar von S. Eustorgio verehrt.

Die hl. Dreikönige galten als Reichsheilige, waren den deutschen Königen und Kaiser Vorbild und Fürbitter, weshalb sie nach ihrer Krönung in Aachen nach Köln zogen, zum Gebet vor dem Dreikönigsschrein. Die „Realpräsenz“ von königlichen Heiligen, die als erste Heiden Christus selbst in der Krippe gesehen und angebetet haben, darf für mittelalterliche Menschen nicht unterschätzt werden. Den Heiligen wurden starke Schutzkräfte zugesprochen: Sie helfen gegen Schicksalsschläge, sie wenden alles Böse von Mensch, Vieh und Haus. Die Bedeutung spiegelt sich bis heute in ihrem überaus kostbaren Reliquienschrein, in der für diesen Schrein gebauten Kathedrale, dem Kölner Dom als „Nonplusultra“ der Gotik, dem Wappen der Stadt Köln usw. Bis heute haben zahlreiche Gaststätten nicht nur im Rheinland Namen, die daran erinnern, daß Pilger an ihnen vorbei auf dem Weg nach Köln gezogen sind: Stern oder Dreikönige ...

Der Dreikönigstag (auch: Groß-Neujahr genannt, weil der Termin zeitweise auch als Jahresanfang galt) galt als Perchtentag, an ihm enden die Rauhnächte, die gefürchteten Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönige; die Nacht vom 5. auf den 6. Januar ist die schlimmste und gefährlichste der Rauhnächte, die Oberstnacht. An diesem Tag wurde das – ursprünglich apotropäische – Türkreuz angebracht, das im Segenszeichen der Sternsinger (z.B.: 19*C+M+B*98) aufging.

Die heiligen Dreikönige waren natürlich auch Gegenstand der Weihnachtskrippe und des Krippenspiels. Als letzteres aus dem Kirchenraum „auswanderte“ (richtig hieße es: ausgewandert wurde) und in Puppentheatern (Hänneschen-Theater) heimisch wurde, gerierte Caspar zum Kasperle.

Die Frage der „Echtheit“ der Reliquien und des „Beweises“ der Echtheit ist eine moderne Fragestellung. So wenig wie sich die Echtheit beweisen läßt, ist bisher die Unechtheit der Reliquien bewiesen. Gesichert ist, dass diese Gebeine seit dem Altertum verehrt wurden, dass sie in Stoffen aufbewahrt werden, die sich nur mit denen aus Palmyra in Syrien vergleichen lassen. Möglicherweise hat auch schon das Mittelalter die Frage der Echtheit der Reliquien als nicht erweisbar angesehen. Es fällt auf, dass das ikonographische Programm der Darstellungen am Dreikönigsschrein – im Gegensatz zu allen anderen Schreinen des Mittelalters – nicht auf die Darstellung des Lebens der Heiligen abhebt, sondern auf den theologischen Kontext: Nicht das Leben der drei Magier, sondern das Leben Jesu Christi wird dargestellt. Die Magier kommen nur in ihrer heilsgeschichtlichen Rolle anbetend bei der Geburtsszene vor. Aus der Gestaltung des ikonographischen Programms wird die Frage nach der „Echtheit“ der Reliquien überflüssig.

Auch für moderne Menschen haben die Drei Könige, die nie förmlich heilig gesprochen wurden, etwas zu sagen: Sie sind ein Vorbild für die irdische Pilgerschaft, für die Fähigkeit, vertrauensvoll dem Stern zu folgen, mit dem Gott den Weg weist; sie sind Vorbild (königlicher) Herrschaft, die die Relativität ihrer eigenen Macht erkennt und vor dem Kind in der Krippe das Knie beugt; sie sind schließlich Vorbild für die menschliche Vernunft, die in der Lage ist, auch den Ungläubigen zum Heil und zum Heiland zu führen – wenn er sich führen läßt.