Dreikönige, Königskuchen und Bohnenfest

Warum der Sitzungskarneval mit den heiligen Dreikönigen beginnt

Am 2. Januar feiert die lateinische Kirche das Gedächtnis des heiligen Basilius; die griechische Kirche feiert ihn schon einen Tag zuvor. Basilius, um 330 in Cäsarea, dem heutigen Kayseri in der Türkei, geboren und am 1. Januar 379 verstorben, war Erzbischof in seiner Heimatstadt. Er trat hervor als Bekämpfer des Arianismus und als Garant des Zusammenhalts unter den Bischöfen. Er gilt als der Größte unter den sogenannten drei Kappadokern, zu denen noch sein leiblicher Bruder Gregor von Nyssa und Gregor von Nazianz zählen. Basilius wird nicht nur zu den Kirchenvätern gezählt, sondern gilt auch als der Vater des östlichen Mönchlebens. In weiten Teilen des Geltungsbereichs der Ostkirche erhalten die Kinder am Festtag des hl. Basilius statt an Weihnachten Geschenke. In das griechische Neujahrbrot wird eine Gold- oder Silbermünze eingebacken, die dem Finder im neuen Jahr Glück bringen soll. Hier könnte ein Vorbild für den Königskuchen am Dreikönigstag liegen.

Als letzter Abend der zwölf Rauhnächte, der als der schlimmste galt und deshalb Oberstnacht hieß, traten am 6. Januar noch einmal Jahresendbräuche auf: Dämonenglaube und Christentum waren hier bemerkenswert miteinander verknüpft. Es war aber auch die Dreimahlsnacht, in der ein dreifaches Mahl, das Dreikönigsmahl, eingenommen wurde. Man darf sich vorstellen, dass an diesem Abend ein fröhliches (Familien-) Fest gefeiert wurde, mit dem offiziell auch die Karnevalszeit begann. Beim Dreikönigsfest wurde seit dem 13. Jahrhundert der „König“, der Freudenkönig oder Bohnenkönig, bestimmt.

Das Auslosen des Königs am Dreikönigstag für das Königsspiel geschah durch das Einbacken einer Bohne (Mandel, Erbse, Münze) in den Königskuchen; verschiedentlich wurden auch zwei Bohnenkerne eingebacken, wobei die schwarze Bohne den König und die weiße die Königin bestimmte. In Frankreich, wo es diesen Brauch auch gab, hieß der Kuchen Galette du Roi. Anderswo wurde der König durch Auslosen bestimmt; es wurden Losbriefe ausgestellt, sogenannte Königsbriefe. Der König musste – zu einem späteren Zeitpunkt – ein Königsessen ausrichten. Das Königsspiel war in Europa weit verbreitet. In England nannte es sich „Lord of Misrule“ (Herr der Unordnung und des Unfugs) oder Bohnenkönig mit der „Königin Markfett“.

Der Bohnenkönig ernannte einen ganzen närrischen Hofstaat (z. B. Rat, Sekretär, Arzt, Mundschenk, Vorschneider, Diener, Sänger, Musikant, Koch, Hofnarr) und feierte mit diesem das Bohnenfest oder Königsspiel. Wenn der König trank, mussten alle rufen: „Der König trinkt“. Dieses Satz wurde geradezu zum Synonym für dieses Spiel, das bis zur Mitternacht dauerte und von jedem verlangte, dass er seine Rolle durchspielte. In den Niederlanden wurde jeder, dem beim Spiel ein Fehler unterlief, mit einem schwarzen Strich ins Gesicht gekennzeichnet. Narrenreiche dieser Art sind zu Demonstrationszwecken auf Zeit eingerichtete Gegenreiche zum „Reich Gottes“, dem himmlischen Jerusalem. In und an ihnen soll gezeigt werden, dass die civitas diaboli, das Reich des Bösen, instabil, unfriedlich und destruktiv ist. Die mittelalterliche Fastnacht errichtete beim Dreikönigsfest oder Bohnenfest dieses Narrenreich des Bohnenkönigs im privaten Bereich für einen Tag oder einen Festabend. Es ist durch zeitgenössische bildliche Darstellungen, vor allem durch die des Jan Steen, überliefert. Dieses „Reich auf Zeit“ des närrischen Bohnenkönigs mit seinem unechten Hofstaat und den leiblichen Genüssen erhält aber bereits die wesentlichen Elemente, die der Karneval im 19. Jahrhundert in gewandelter Form wieder aufnahm. Auch der Termin des alten Bohnenfestes wirkt bis heute nach: Als Karnevalssession oder als Zeit für Karnevalssitzungen und Maskenbälle gilt die Zeit von Dreikönige (6. Januar) an.

In manchen Gegenden trat der Bohnenkönig außerhalb des familiären Königspiels einmal auch öffentlich auf: Am Montag nach Epiphanie (verlorener, verschworener Montag, Frauenmontag, Pflugmontag, engl. Ploughmonday), Auftakt der Frühjahrsfeldarbeit oder „Aufräumtag“ nach den Festtagen, wurden die vergangenen Festtage mit einem Dorffest beschlossen, bei dem der Bohnenkönig und die Bohnenkönigin Ehrenplätze einnahmen und den Tanz eröffneten.

Übrigens hat das ständisch gegliederte Mittelalter durchaus auch soziale Verpflichtungen gekannt. Wenn die Herrschaften ihr Bohnenfest feierten, kamen auch die Dienstboten zu ihrem Recht. Sie feierten am Sonntag nach Dreikönige ein eigenes Königsspiel, das den Namen Schwarzer König trug. Von ihren Arbeitgebern bekamen sie große Brote mit einer oder zwei eingebackenen Bohnen geschenkt und natürlich auch eine entsprechende Menge an Getränken.

Mit dem Bohnenfest verbunden oder aber auf das Bohnenfest bezogen war das Bohnenlied, an das heute nur noch die Redensart erinnert: „Das geht noch übers Bohnenlied“, „Das ist mir übers Bohnenlied“. Gemeint ist: Das ist unerhört, unglaublich, ungehörig, schamlos, über das erlaubte Maß hinaus. Belegt seit dem 15. Jahrhundert in Fastnachtsspielen bietet möglicherweise Walther von der Vogelweide den ältesten Hinweis auf ein Bohnenlied: „waz êren hat frô Bône, daz ma sô von ir singen sol“ Die Bohnenlieder beendeten jede Strophe mit der Zeile: „Nu gang mir aus den Bohnen“, d.h. lass’ mich in Ruhe, ungeschoren, geh’ deiner Wege, mit einem solchen Narren mag ich nichts zu tun haben. Bezug nimmt diese Aussage auf den Spruch: „Wenn die Bohnen blühen, gibt es viele Narren“ (vgl. den Spruch „Die Bohnen blühen, die Narren ziehen“, ndl. „Als de boonen bloeijen, de zotten groeijen“). Dahinter steht die Vorstellung, die Bohnenblüte betäube den Geist, verursache einen Rausch. Das lat. „Cum fabis stultorum capita florent“ und das frz. „Les fèves sont en fleur, les fous sont en vigeur“ drücken eben dies aus.

Das Bohnenlied, ein Fastnachtslied, erzählte in vielen Strophen von allen möglichen Tor- und Dummheiten. Wenn eine Torheit noch närrischer war als das im Bohnenlied vorgegebene Maß, konnte es – wie in einem Luzerner Neujahrsschauspiel der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts -, heißen: „Dieser sach bin ich fast müed, es ist mir über’s bonenlied“. Obwohl im 15. Jahrhundert das Bohnenlied Überholtes, Veraltetes bezeichnete, erhielt sich die Redensart, die auch noch Uhland 1859 in einem Gedicht verwendete: „Ihr fordert, dass ich Lieder singe, Mit Deutschlands Barden Glied an Glied“ Der Anblick unser deutschen Dinge, Der geht mir übers Bohnenlied.“ Der überlieferte Text der ersten Strophe des Bohnenliedes lautet: „Wer lützel bhalt und vil vertut, Der darf nit ston in sorgen, Das man zletzt vergant sein gut, Kein Jud tut im drauf borgen. Wer nütze ding will achten [ge]ring, Sein selbs nit wil verschonen, Dem sagt man bald, e daß er alt: Nu gang mir aus den bonen!“

Auch wenn heutzutage kein Mensch mehr das Königsspiel spielt, das Bohnenfest feiert, das Bohnenlied singt und einen Königskuchen backt: Das Dreikönigsfest hat sich im Rheinland erhalten, und es ist noch immer die Wendemarke von der Weihnachts- zur Fastnachtszeit, der fünften, in der Liturgie und im Kalender nicht vorgesehenen Jahreszeit.